Der Pokal steht auf einem runden nur leicht ansteigenden Fuß. Mittig setzt der hohe Schaft an, der sich aus drei facettierten Hohlkugeln zwischen Scheiben zusammensetzt, von denen die mittlere die größte ist. Die obere Kugel weist ein Gewinde auf. Aufgeschraubt werden kann hier die Kuppa, die auf drei Scheiben sitzt. Sie ist unten gerundet und entwickelt sich nach oben leicht konisch auseinander. Der Trinkrand, wie auch der untere Ansatz sind mit einer umlaufenden Reihe polierter Kugelungen verziert. Die Fläche dazwischen ist mit geschnittenen, schräg von links unten nach rechts oben orientierten Friesbändern versehen. Sie sind abwechselnd mattiert und glatt belassen. Die mattierten Bänder sind mit polierten Linsen besetzt, die glatt belassenen mit Ranken und Blüten.
Der gewölbte Deckel besitzt einen größeren Durchmesser als die Pokalkuppa. Er wird bekrönt von einer hohen Handhabe, die aus Scheiben, einer gedrückten Kugel auf hochgezogenem Hals und einem tropfenförmigen Knauf besteht. Die Oberfläche des Deckels ist mit drei Facettenreihen verziert, die teils mit einer Netzstruktur versehen sind, teils einen sechszackigen, polierten Stern oder polierte Kugelungen auf mattiertem Hintergrund aufweisen. Der Deckel nimmt weder in Gestaltung der Handhabe noch mit dem geschnittenen Dekor Bezug auf den Pokal. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass Pokal und Deckel ursprünglich nicht zusammengehörten.
Die Gestaltung der Form sowie vor allem der Dekor verweisen auf eine Entstehung in einer böhmischen oder schlesischen Glashütte, vgl. Antje Marthe Fischer: Gläserne Pracht. Die Glassammlung des Staatlichen Museums Schwerin. Bestandskatalog (zugleich Ausst. Kat. Staatliches Museum Schwerin. Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten). Petersberg 2011, Nr. 68 (Böhmen, um 1700); Stefania Żelasko: Barock und Rokoko im Hirschberger Tal. Stein- und Glasschnitt 1650–1780. Hrsg. v. Georg Höltl und Peter Höltl, Glasmuseum Passau. Passau 2014, Nr. 63 (Preußler Glashütte Weißbach, Schreiberhau, 1. Viertel 18. Jh.).
Schraubpokale wurden möglicherweise für Reisen auseinandergeschraubt in Futteralen verwahrt und waren so weniger bruchanfällig. Sie scheinen vermehrt in den Glashütten des Riesengebirges hergestellt worden zu sein, vgl. Żelasko 2014, Nr. 63, 65.
Zu unterscheiden sind hierbei Pokale, die wohl zum vereinfachten Transport in mehrere Teile „zerlegt“ werden konnten, von Pokalen bei denen das Gewinde eine andere Funktion erfüllte: Es haben sich auch Pokale erhalten, deren Fuß und Deckel als Gefäß bzw. Flakon geformt sind. Der Fuß kann an den Schaft geschraubt werden und ist so verschlossen und der Deckel weist ein Gewinde auf, in das ein Stöpsel geschraubt werden konnte, vgl. Zuzana Pešatová/Jindřich Brok: Böhmische Glasgravuren. Die Kunst der Glasgravur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Prag 1968, Abb. Nr. 34; Rudolf von Strasser: Licht und Farbe. Unter Mitarbeit von Sabine Baumgärtner. Dekoriertes Glas – Renaissance, Barock, Biedermeier. Die Sammlung Rudolf von Strasser (Schriften des Kunsthistorischen Museums, hrsg. v. Wilfried Seipel, 7). Wien 2002, Nr. 178.
(Sabine Tiedtke)