Das Selbstbildnis von Käthe Kollwitz (1867–1945) ist eine beeindruckend zarte und zugleich klare und bestimmte Selbstbetrachtung der Künstlerin. Im Bewusstsein dessen, dass sie zum Entstehungszeitpunkt der Radierung etwa 26 Jahre alt war, überrascht die Darstellung umso mehr. Im Schatten eines nicht auszumachenden Raumes sitzt eine leicht nachvornegebeugte Frau, deren Gesicht von einer Lampe erhellt direkt auf die Betrachtenden blickt. Womit sie sich beschäftigt bzw. was vor ihr auf dem Tisch liegt, ist nicht zu erkennen. Ihr traurig anmutendes Gesicht ist durch feinste Linien gestaltet, um ihren Kopf scheint eine Art Netz aus zarten Schraffuren zu liegen. Kollwitz widmete sich künstlerisch der Sichtbarmachung des Lebens der Arbeiterinnen und Arbeiter, wobei ihre Auseinandersetzung schnell in Werke mündete, die durch offene Sozialkritik geprägt sind. Mit dem Grafikzyklus „Weberaufstand“, der zwischen 1893 und 1897 entstand, gelang ihr der Durchbruch in der Kunstszene. Im Jahr 1899 trat sie der Berliner Sezession bei. Zehn Jahre später wurde sie das erste weibliche Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Die Selbstbildnisse von Käthe Kollwitz sind Spiegelbilder ihrer Seele. Diese „visuelle Form des Gespräches mit sich selbst“ – wie sie es nannte, gewährt intime Einblicke in ihre Lebensphasen. Sie dokumentieren die permanente und intensive Selbstbefragung der Künstlerin und stehen zugleich repräsentativ für ihre meisterlichen Fähigkeiten als Zeichnerin, Druckgrafikerin und Bildhauerin.